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Artikel vom 7.8.24 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ):


Wie saniert man ein historisches Haus?

Der Baukulturdienst bietet erstmals auch im Stadtgebiet eine Beratung für junge Bauherren an. Im Fokus steht ein Holzhaus. von Conrad von Meding

Am historischen Holzhaus: Wolf Bredow vom Baukulturdienst berät den potenziellen Bauherrn Jonas Habel. Derzeit wohnt dessen Tante Maria-Angelika Hanne in dem Gebäude.

FOTO: ILONA HOTTMANN

Das schöne Holzhaus von 1926 steht am Rand einer Kleingartenkolonie nahe dem Messeschnellweg in Groß-Buchholz. Jonas Habel (32) will es mit seiner Frau übernehmen und darin eine Familie gründen. Aber wie schafft man es, einen Überblick über all die Bauprojekte zu bekommen, die solch ein altes Haus mit sich bringt, und über die möglichen Kosten? „Wenn ich fünf Unternehmen frage, bekomme ich fünf verschiedene Antworten – und alle wollen doch eigentlich nur an uns verdienen“, sagt Habel. Für ihn ein Glücksfall: Denn erstmals übernimmt der Baukulturdienst Weser- Leine-Harz (BKD) am hannoverschen Holzhaus eine Inspektion. Für die Freunde historischer Gebäude ist es eine Art Testlauf: Bisher dürfen sie wegen einer speziellen EU-Förderung nur in den ländlichen Gebieten Niedersachsens tätig sein. Ausgenommen sind etwa Hildesheim, Braunschweig und die Region Hannover außer Sehnde. „Wir würden aber sehr gern auch in Hannover beraten – auch hier gibt es viele alte Häuser“, sagt der lokale Stuckateurmeister Klaus Stuckert beim Termin.

Ungewöhnliche Inspektion. Diese Inspektion eines Altbaus ist wirklich ungewöhnlich. Denn nachdem der BKD-Bevollmächtige Wolf Bredow gemeinsam mit BKD-Inspekteur Stuckert und BKD-Koordinatorin Ylva Cohrs-Müller über Fußböden gekrabbelt ist, mit Taschenlampen in Verschläge geleuchtet und über entfernte Innenwände und
alte Badezimmerfliesen gefachsimpelt hat, kommen gar nicht so viele Vorschläge zur Erneuerung – sondern eher Tipps zum Erhalt. „Es ist ein historisches Haus“, sagt Bredow, im Hauptberuf Bauingenieur mit viel Umbauerfahrung. „Sowohl finanziell als auch bauphysikalisch ist es gut, möglichst viel der Bausubstanz zu erhalten.“ Beim Dach zum Beispiel, das noch die Dachziegel aus dem Erbauungsjahr vor fast 100 Jahren trägt und stellenweise undicht ist, würde wohl jeder Dachdeckerbetrieb zur Totalerneuerung raten. Bauherr Habel aber bekommt Tipps, woher er alte Ziegel dieser Bauart beziehen kann und mit welcher Mörtelart er sie einsetzen sollte, damit sie lange halten.


„Das ist typischer Heimatstil“. Bredow sieht auch sofort, welcher Epoche das Holzhaus zuzuordnen ist. „Das ist typischer Heimatstil“, sagt er. „In den Zwanzigerjahren wollten die Leute aufs Land, zurück zur Natur, es war die Zeit der Freikörperkultur.“
Drei solcher Häuser standen ursprünglich auf einem weitläufigen Grundstück westlich vom
Stadtfelddamm. Nur dieses ist übrig. Es ist seit 1966 im Familienbesitz. Ein Bankdirektor hatte sich das Haus 1926 gebaut, ursprünglich mit einer von vier Holzsäulen getragenen
Veranda, die noch vorhanden sind, aber zum Teil verkleidet. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Bankierswitwe in die Schweiz und vermietete das Haus an einen Tierarzt. 1966 kaufte der einstige hannoversche Ratsherr Siegfried Hanne (CDU) mit seiner Frau, der Bezirksratspolitikerin Marlies, das Haus.

Seit 1966 im Familienbesitz. Beide hatten drei Töchter. „Wir haben dieses Haus mit seinem großen Garten sehr genossen“, sagt Tochter Felicitas Hanne (66). „Unsere Eltern haben immer viel Besuch gehabt und tolle Feste hier gefeiert“, sagt ihre Schwester Maria-Angelika Hanne (68). Sie lebt übergangsweise in dem Haus, denn nachdem Mutter Marlies schon vor Jahren gestorben war, ist jetzt im Februar auch Siegfried Hanne verstorben. Das Haus soll in der Familie bleiben, Jonas Habel ist dritte Generation. Aber wo anfangen? Hand angelegt werden muss langfristig fast überall, aber in welcher Priorität? Die Fenster sind 2005 schon zum Teil erneuert worden, leider nicht im Stil des Hauses, sondern in Kunststoff und ohne Teilung. Auch die Bretter der Holzfassade sind zum Teil nicht mehr original, und an mehreren Stellen zeigen sich innen Feuchtflecken.

Neuralgische Punkte. Stück für Stück gehen die drei Baukulturdienstfachleute neuralgische Punkte ab. Häuser mit Holzfassade seien für eine Außendämmung unter der Verschalung gut geeignet, sagt Bredow. Aber keinesfalls mit Kunststoff, sondern mit einem atmenden Baumaterial wie Holzfasern, sagt Stuckert. An den Feuchtstellen identifizieren sie als Verursacher schnell eine undichte Regenwassertonne und leckgeschlagene Dachrinnen. „Das sollte sofort abgestellt werden“, drängt Cohrs-Müller. In der Küche zeigt sich ein kunstvoll gegossener Terrazzoboden. Unter der Holztreppe finden sich in einem Verschlag Tapetenreste aus der Erbauungszeit. „So etwas sollte man bewahren, es sind Zeitfenster in die Vergangenheit“, sagt Bredow. Auch die historische Veranda mit den vier Holzsäulen – „wirklich ungewöhnlich“, wie Bredow betont – sollte wieder freigelegt werden. Leider befinden sich dahinter das nachträglich eingebaute Bad und eine Erweiterung der Küche. Das ist eine Zwickmühle für den Bauherrn.

Am Ende ein Gutachten. Am Ende wird Habel ein ausgedrucktes Gutachten erhalten, in dem Schäden und Analysen aufgelistet sind und vor allem die Reihenfolge der Arbeiten priorisiert ist. Weil Hannover nicht im Fördergebiet liegt, muss er den vollen Preis von 1300 Euro zahlen. „Aber das ist es wert – ich fühle mich gut beraten“, sagt er. Am historischen Holzhaus: Wolf Bredow vom Baukulturdienst berät den potenziellen Bauherrn Jonas Habel. Derzeit wohnt dessen Tante Maria-Angelika Hanne in dem Gebäude.

Gartenansicht: Das Holzhaus in Groß-Buchholz, während auf der Terrasse die Beratung durch den Baukulturdienst läuft.

FOTO: ILONA HOTTMANN

Das ist der Baukulturdienst

Der Baukulturdienst ist seit 2019 aktiv und wird unter anderem mit EU-Geld für ländliche Regionen im Leader-Programm gefördert. gerade ist eine neue Förderperiode gestartet. Die Idee stammt aus der 1973 in den Niederlanden gegründeten „Monumentenwacht“, die Eigentümern historischer Häuser half. Bekanntestes Projekt in Deutschland ist der „Monumentendienst Weser-Ems“, der aber nur Denkmale betreut. Der „Baukulturdienst Weser-Leine-harz“ richtet sich an alle Eigentümer und Kaufinteressenten von Häusern mit
dem Baujahr vor 1945. Die Beratung kostet, wenn sie im Fördergebiet stattfindet, entweder 175 Euro (mündlicher Bericht) oder 350 Euro (schriftlicher Bericht), inklusive „Klimamodul“ 550 Euro.

Akribische Schadenssuche: Um die erweiterte Küche des Holzhauses kümmern sich die Baukulturdienst- Experten (v. li.) Ylva Cohrs-Müller, Klaus Stuckert und Wolf Bredow
(stehend). Foto: Conrad von Meding

Baukulturdienst beim HAZ-Klimatalk am 21. August
Beim nächsten HAZ-Klimatalk am 21. August geht es um klimaverträgliche Modernisierung von denkmalgeschützten Häusern. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung allerdings
nötig. auf dem Podium spricht unter anderem Bauingenieur Volker Wehmeyer vom Baukulturdienst, außerdem sind Dr. Manfred Kohler von der Denkmalschutzbehörde der Region dabei und Architektin Stefanie von Heeren, die ein Denkmal umbaut. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in der VHS (Burgstraße). Anmeldung ausschließlich über die Internetseite der Klimaschutzregion Hannover, Suchworte sind HAZ-Klimatalk und Denkmalschutz.