Reportage

Wie sieht die Inspektion eines Hauses durch den Baukulturdienst Weser-Leine-Harz aus? Kommen, sehen, beschreiben, erklären. Was muss, was kann wann und wie getan werden?

Inspektion eines Fachwerkhauses, Baujahr um 1800 in Northeim-Höckelheim.

Wolf Bredow, IgB

Abbildung 1: Straßenansicht des inspizierten Fachwerkhauses Foto: IgB

Familie Junge aus Northeim-Höckelheim hat den Baukulturdienst Weser-Leine-Harz beauftragt, die bauliche Beschaffenheit ihres Hauses zu inspizieren. Auch sollten energetische Empfehlungen gegeben werden. Ein schriftlicher Bericht wurde erwünscht.

Ende März 2024 haben die BKD-Inspektoren Hanno Meenken und Wolf Bredow Familie Junge besucht und die Inspektion durchgeführt.

Abbildung 2: Fassade 1975 Foto: Familie Junge
Auf den ersten Blick würden nur Kenner hinter dieser Fassade ein Fachwerkhaus vermuten. Ein Foto aus dem Jahr 1975 zeigt das doppelstöckige Fachwerkgefüge. Beim Nachbarhaus ist das Fachwerk heute noch sichtbar.

Abbildung 3: 1810 Stadtarchiv Northeim

Abbildung 4: 1785 Stadtarchiv Northeim
Die Bauzeit konnte mit Hilfe historischer Karten um 1800 eingeordnet werden. Nach einem Brand 1811 ist das Haus zwischen 1811 und 1840 von der Familie Röttger wieder aufgebaut worden. Es ist zu erkennen, dass um diese Zeit an den Einfallstraßen des Ortes gleichförmige Fachwerkhäuser dieser Art entstanden sind. Diese Bauten bilden sozusagen das erste „Neubaugebiet“ von Höckelheim.

In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts ist das Haus stark umgebaut worden. Es hat eine Vorsatzschale aus beigefarbenen Klinkern bekommen. Der Wandbehang aus Dachziegeln (s.a. Abbildung 1 den Wandbehang des Nachbarhauses) ist durch einen Behang aus Faserzementplatten ersetzt worden. Diese sind mit hoher Sicherheit asbesthaltig. Dies ist zunächst einmal kein Problem. Sollten aber Arbeiten an den Platten durchgeführt werden, sind entsprechende Sicherheitsregeln einzuhalten.

Abbildung 5: Hinteransicht des Hauses Foto: IgB
Hinten ist das Haus mit einem Anbau und einer Terrasse im Obergeschoss erweitert worden. Das Fachwerk an der Nordecke ist nur noch auf einer Holzverschalung aufgemalt. Das Haus macht trotz der starken Überformung einen soliden Eindruck. Ein verstopftes Regenfallrohr muss gesäubert und lose Steine im oberen Bereich der Vorsatzschale müssen befestigt werden.

Nach der äußerlichen Inaugenscheinnahme wurde das Haus, wie üblich vom Keller bis zum Dach, inspiziert.

Das Haus ist vermutlich in später Zeit teilweise unterkellert worden. Ungewöhnlich ist, dass auch im Keller Vorsatzschalen aus Gipskarton eingebaut sind. Herr Junge hat an einer Stelle die Vorsatzschale geöffnet. Es zeigten sich dann Ausblühungen und Putzabplatzungen. Es wird nun überlegt, ob die Vorsatzschalen im Keller entfernt werden sollen. Klar ist, dass ein Putz in einem Keller oft ein Opferputz ist, der von Zeit zu Zeit erneuert werden muss. Die Kellerdecke könnte eine dünne Dämmung vertragen.

Abbildung 6: Terrazzo im Eingangsbereich Foto: Familie Junge
Im Eingangsbereich hat der Inspektor Hanno Meenken zur Freude von Frau Junge einen Terrazzoboden entdeckt, der nun wieder sichtbar gemacht werden soll.

Die Holzfenster aus den 80er Jahren sind bereits doppelt verglast und müssen nicht unbedingt ausgetauscht werden. Die Haustür sollte z.B. aufgedoppelt und abgedichtet werden. Alternativ könnte auch eine neue Haustür nach historischem Vorbild eingebaut werden.

Ein oft anzutreffendes Problem ist, dass alle Außenwände von innen mit einer Gipskarton­vorsatzschale versehen sind. Es war nicht festzustellen, ob sich noch eine Dämmung dahinter befindet. Problematisch an dieser Konstruktion ist, dass sich Tauwasser hinter dieser Schale am Fachwerk bilden kann und das Holz besonders in Fußbereich von innen zerstört werden kann. Der Geruchseindruck war jedoch positiv. Ein Einbau einer neuen diffusionsoffenen Innenschale ist sehr kostenintensiv. Die Zonen im Fußbereich sollten jedoch kontrolliert werden. Die Feuchtigkeit hinter den Gipskartonplatten könnte zur Kontrolle gemessen werden.

Das Haus hat eine moderne noch neue Gasheizung mit einem Speicher, die erst einmal weiter betrieben werden sollte. Zukünftig könnte ein Wärmetauscher dazu installiert werden, so dass mit fossiler Energie nur noch bei tiefen Minusgraden „dazu“ geheizt werden muss.

Eine sehr sinnvolle Maßnahme zur Energieeinsparung ist es, die oberste Geschossdecke zu dämmen.

Um einen Eindruck über die Inspektion zu vermitteln, werden in folgender Tabelle eine Auswahl der im Bericht zusammengefassten Maßnahmen dargestellt:

Priorität 3: Giebelfenster Nord reparieren mittelfristig in 1 bis 3 Jahren

Priorität 4: Gipskartonplatten im Keller entfernen langfristig in 4 bis 6 Jahren

Priorität 4: Steinzeugboden sanieren langfristig in 4 bis 6 Jahren

Energetischen Empfehlungen

Tabelle: Maßnahmen

Das Haus wurde in der letzten Zeit als Wochenendhaus nur zeitweise genutzt und soll, auch mit den Anregungen aus der Inspektion, ggf. in Zukunft wieder intensiver genutzt werden. Oft ist heute Fantasie gefragt, wie alte Häuser zu nutzen sind. Eigennutzung, Vermietung, dezentrales Hotel, Ferienwohnung, möbliertes Wohnen auf Zeit. Jede Form hat ihre Besonderheiten.