Artikel vom 21.10.2024 im Harz Kurier

Die Inspektoren des Baukulturdienstes Weser-Leine-Harz vor dem Haus am Markt der Bürgergenossenschaft Bad Grund. Hier hielten die Inspektoren Ihr Treffen ab. H. Niemann
Damit Altbau und Fachwerkhäuser erhalten bleiben
Der Baukulturdienst Weser-Leine-Harz traf sich im Genossenschaftshaus der Bürgergenossenschaft Bad Grund. Was machtein Baukulturdienst?
Herma Niemann
Bad Grund Man könnte sie sozusagen als Retter von Altbau- und alten Fachwerkhäusern vor 1945 bezeichnen – die Inspektoren des Baukulturdienstes (BKD) Weser-Leine-Harz. Inspektoren, das hört sich sehr förmlich an. Dahinter stecken aber Experten aus vielfältigen Baubereichen (wie etwa Architektur, Zimmerei, Lehmbau und ökologischem Bauen), die aber eines eint, nämlich eine eindeutige Leidenschaft für alte Bausubstanz. Und sie treffen sich regelmäßig zu Inspektorentreffen. Diesmal in Bad Grund, im Genossenschaftshaus am Markt der Bürgergenossenschaft.
Insgesamt 16 Inspektoren waren mit dabei, die so an einer Fortbildung -auch anhand des Genossenschaftshauses – teilnahmen. Auf ihrem Fortbildungsprogramm stand an dem Tag unter anderem Organisatorisches, wie zum Beispiel der einheitliche Umgang im Schriftprogramm, aber auch eine inhaltliche Weiterentwicklung zum Thema der energetischen Empfehlungen. Gleichzeitig wurde aber der Austragungsort in Bad Grund genutzt. Gemeinsam wurde das Haus besichtigt, mit Tipps zur Sanierung. Zwar seien schon einige Experten, unter anderem natürlich auch Mitglieder der Bürgergenossenschaft, durch die Räumlichkeiten gegangen, so Nikolai Simon-Hallensleben (Vorstand Bürgergenossenschaft), aber mehrere Expertisen könnten ja nicht schaden, denn jeder habe einen Blick für bestimmte Details. „Das ist toll, so eine geballte Ladung an Kompetenz aus unterschiedlichen Spezialgebieten hier zu haben“, freute sich Dagmar Thomas (Vorstand Bürgergenossenschaft).
Gefördertes Leader-Projekt Der Projektträger des BKD ist die Interessengemeinschaft Bauernhausund ist ein gefördertes Leader-Kooperationsprojekt der Landkreise Hameln-Pyrmont, Hildesheim, Göttingen, Northeim und Schaumburg. Der Baukulturdienst bietet eine umfassende Palette an Dienstleistungen, die von der einfachen Beratung bis hin zu detaillierten Untersuchungsberichten reichen. Die Beratung umfasst: Erkundung der Bausubstanz, Untersuchung der Bauweise und der verwendeten Materialien. Im Fokus steht dabei die regionaltypische Bausubstanz, die die Ortsbilder prägen und so Identität stiften. Dieser Wert werde zwar zunehmend erkannt, doch der Bestand an historischen Gebäuden ist auch durch zunehmenden Leerstand gefährdet. Und da setzt der BKD an, nämlich, um Eigentümer historischer Gebäude bei deren Erhalt zu unterstützen. Dazu gehört zunächst auch eine Aufklärung über den richtigen Umgang mit dieser
sensiblen Materie. So bietet der BKD Eigentümern eine unabhängige Beratung
und fachkundige Analyse zur Aufwertung und Sicherung der Bausubstanz
sowie Hinweise zur klimagerechten energetischen Sanierung von Altbauten unter Berücksichtigung der besonderen Bauweise historischer Gebäude an. Somit wird nicht nur ein Beitrag zum Erhalt der Gebäude geleistet, was auch zum Klimaschutz beiträgt, sondern auch ein gepflegtes Ortsbild als Grundlage einer touristischen Entwicklung hergestellt.
Die Interessengemeinschaft war auch in der ersten Projektphase der Träger,
die unter dem Namen Baukulturdienst Weser-Leine ab 2019 in den Landkreisen Schaumburg, Hameln-Pyrmont, Hildesheim und Holzminden lief.
„Wir helfen Eigentümern mit einem Fahrplan für ihre Sanierung.
Wolf Bredow, (Bevollmächtigter der Interessengemeinschaft für
den BKD) über die Arbeit des Baukulturdienstes
Verschiedene Beratungsmodelle Die Inspektoren führen die Gebäude- und Bauteilinspektionen, je nach Wunsch des Auftraggebers entweder mit mündlichen Erläuterungen (zum Beispiel als Kaufberatung oder jährliche Kontrollbesichtigungen)
oder mit ausführlichem Bericht mit Handlungsempfehlungen, der um Empfehlungen zu sachgerechten und nachhaltigen Maßnahmen zur energetischen Sanierung erweitert werden kann, durch. Der Eigenanteil staffelt sich für die Auftraggeber je nach Art der Inspektion.
Die entstehenden Kosten werden zum Teil durch Beiträge der Hauseigentümer beziehungsweise Auftraggeber, zum größeren Teil aber durch Fördermittel der EU sowie der Landkreise getragen. Übergeordnetes Ziel ist es, den Baukulturdienst auch nach Ablauf der Projektphase als dauerhafte Einrichtung mit finanzieller Unterstützung der Landkreise zu etablieren.
Was beinhaltet eine Hausuntersuchung mit schriftlichem Bericht? Diese kann man in etwa mit dem TÜV fürs Auto vergleichen beziehungs-weise als „Fahrplan“ für die Planung von Reparatur- oder Sanierungsmaßnahmen verwenden. Zunächst geht es um eine sorgfältige Erkundung der vorhandenen Bausubstanz, also der Bauart und der verwendeten Baustoffe. Dann werden vorhandene Schäden und Probleme aufgespürt und fotografisch sowie schriftlich dokumentiert. Schließlich resultieren daraus Empfehlungen für sinnvolle Maßnahmen mit gewichteten Prioritäten, also Dringlichkeiten. Diese können durchaus auch den Ratschlag enthalten, bestimmte Dinge nicht oder nur in einer bestimmten Reihenfolge zu tun. Vor allem aber sollen falsche Maßnahmen und damit Fehlinvestitionen oder noch schlimmer Bauschäden vermieden werden.
Und was hat sich beim Rundgang ergeben? „Der Rundgang war für uns sehr interessant. Es sind zwar keine gänzlich neuen Erkenntnisse gekommen, wir haben aber vereinzelt sehr hilfreiche und auch konkrete Tipps erhalten und die fachliche Diskussion unter den Altbauexperten war sehr spannend“, so Simon-Hallensleben. Gegebenenfalls könne sich aus diesem Netzwerk auch tatsächlich noch mehr entwickeln – nämlich weitere Seminare, die eventuell praktisch im Haus der Bürgergenossenschaft durchgeführt werden könnten. Das sei aber noch Zukunftsmusik.
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Artikel vom 7.8.2024 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ):
Wie saniert man ein historisches Haus?
Der Baukulturdienst bietet erstmals auch im Stadtgebiet eine Beratung für junge Bauherren an. Im Fokus steht ein Holzhaus. von Conrad von Meding

Am historischen Holzhaus: Wolf Bredow vom Baukulturdienst berät den potenziellen Bauherrn Jonas Habel. Derzeit wohnt dessen Tante Maria-Angelika Hanne in dem Gebäude.
FOTO: ILONA HOTTMANN
Das schöne Holzhaus von 1926 steht am Rand einer Kleingartenkolonie nahe dem Messeschnellweg in Groß-Buchholz. Jonas Habel (32) will es mit seiner Frau übernehmen und darin eine Familie gründen. Aber wie schafft man es, einen Überblick über all die Bauprojekte zu bekommen, die solch ein altes Haus mit sich bringt, und über die möglichen Kosten? „Wenn ich fünf Unternehmen frage, bekomme ich fünf verschiedene Antworten – und alle wollen doch eigentlich nur an uns verdienen“, sagt Habel. Für ihn ein Glücksfall: Denn erstmals übernimmt der Baukulturdienst Weser- Leine-Harz (BKD) am hannoverschen Holzhaus eine Inspektion. Für die Freunde historischer Gebäude ist es eine Art Testlauf: Bisher dürfen sie wegen einer speziellen EU-Förderung nur in den ländlichen Gebieten Niedersachsens tätig sein. Ausgenommen sind etwa Hildesheim, Braunschweig und die Region Hannover außer Sehnde. „Wir würden aber sehr gern auch in Hannover beraten – auch hier gibt es viele alte Häuser“, sagt der lokale Stuckateurmeister Klaus Stuckert beim Termin.
Ungewöhnliche Inspektion. Diese Inspektion eines Altbaus ist wirklich ungewöhnlich. Denn nachdem der BKD-Bevollmächtige Wolf Bredow gemeinsam mit BKD-Inspekteur Stuckert und BKD-Koordinatorin Ylva Cohrs-Müller über Fußböden gekrabbelt ist, mit Taschenlampen in Verschläge geleuchtet und über entfernte Innenwände und
alte Badezimmerfliesen gefachsimpelt hat, kommen gar nicht so viele Vorschläge zur Erneuerung – sondern eher Tipps zum Erhalt. „Es ist ein historisches Haus“, sagt Bredow, im Hauptberuf Bauingenieur mit viel Umbauerfahrung. „Sowohl finanziell als auch bauphysikalisch ist es gut, möglichst viel der Bausubstanz zu erhalten.“ Beim Dach zum Beispiel, das noch die Dachziegel aus dem Erbauungsjahr vor fast 100 Jahren trägt und stellenweise undicht ist, würde wohl jeder Dachdeckerbetrieb zur Totalerneuerung raten. Bauherr Habel aber bekommt Tipps, woher er alte Ziegel dieser Bauart beziehen kann und mit welcher Mörtelart er sie einsetzen sollte, damit sie lange halten.
„Das ist typischer Heimatstil“. Bredow sieht auch sofort, welcher Epoche das Holzhaus zuzuordnen ist. „Das ist typischer Heimatstil“, sagt er. „In den Zwanzigerjahren wollten die Leute aufs Land, zurück zur Natur, es war die Zeit der Freikörperkultur.“
Drei solcher Häuser standen ursprünglich auf einem weitläufigen Grundstück westlich vom
Stadtfelddamm. Nur dieses ist übrig. Es ist seit 1966 im Familienbesitz. Ein Bankdirektor hatte sich das Haus 1926 gebaut, ursprünglich mit einer von vier Holzsäulen getragenen
Veranda, die noch vorhanden sind, aber zum Teil verkleidet. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die Bankierswitwe in die Schweiz und vermietete das Haus an einen Tierarzt. 1966 kaufte der einstige hannoversche Ratsherr Siegfried Hanne (CDU) mit seiner Frau, der Bezirksratspolitikerin Marlies, das Haus.
Seit 1966 im Familienbesitz. Beide hatten drei Töchter. „Wir haben dieses Haus mit seinem großen Garten sehr genossen“, sagt Tochter Felicitas Hanne (66). „Unsere Eltern haben immer viel Besuch gehabt und tolle Feste hier gefeiert“, sagt ihre Schwester Maria-Angelika Hanne (68). Sie lebt übergangsweise in dem Haus, denn nachdem Mutter Marlies schon vor Jahren gestorben war, ist jetzt im Februar auch Siegfried Hanne verstorben. Das Haus soll in der Familie bleiben, Jonas Habel ist dritte Generation. Aber wo anfangen? Hand angelegt werden muss langfristig fast überall, aber in welcher Priorität? Die Fenster sind 2005 schon zum Teil erneuert worden, leider nicht im Stil des Hauses, sondern in Kunststoff und ohne Teilung. Auch die Bretter der Holzfassade sind zum Teil nicht mehr original, und an mehreren Stellen zeigen sich innen Feuchtflecken.
Neuralgische Punkte. Stück für Stück gehen die drei Baukulturdienstfachleute neuralgische Punkte ab. Häuser mit Holzfassade seien für eine Außendämmung unter der Verschalung gut geeignet, sagt Bredow. Aber keinesfalls mit Kunststoff, sondern mit einem atmenden Baumaterial wie Holzfasern, sagt Stuckert. An den Feuchtstellen identifizieren sie als Verursacher schnell eine undichte Regenwassertonne und leckgeschlagene Dachrinnen. „Das sollte sofort abgestellt werden“, drängt Cohrs-Müller. In der Küche zeigt sich ein kunstvoll gegossener Terrazzoboden. Unter der Holztreppe finden sich in einem Verschlag Tapetenreste aus der Erbauungszeit. „So etwas sollte man bewahren, es sind Zeitfenster in die Vergangenheit“, sagt Bredow. Auch die historische Veranda mit den vier Holzsäulen – „wirklich ungewöhnlich“, wie Bredow betont – sollte wieder freigelegt werden. Leider befinden sich dahinter das nachträglich eingebaute Bad und eine Erweiterung der Küche. Das ist eine Zwickmühle für den Bauherrn.
Am Ende ein Gutachten. Am Ende wird Habel ein ausgedrucktes Gutachten erhalten, in dem Schäden und Analysen aufgelistet sind und vor allem die Reihenfolge der Arbeiten priorisiert ist. Weil Hannover nicht im Fördergebiet liegt, muss er den vollen Preis von 1300 Euro zahlen. „Aber das ist es wert – ich fühle mich gut beraten“, sagt er. Am historischen Holzhaus: Wolf Bredow vom Baukulturdienst berät den potenziellen Bauherrn Jonas Habel. Derzeit wohnt dessen Tante Maria-Angelika Hanne in dem Gebäude.

Gartenansicht: Das Holzhaus in Groß-Buchholz, während auf der Terrasse die Beratung durch den Baukulturdienst läuft.
FOTO: ILONA HOTTMANN
Das ist der Baukulturdienst
Der Baukulturdienst ist seit 2019 aktiv und wird unter anderem mit EU-Geld für ländliche Regionen im Leader-Programm gefördert. gerade ist eine neue Förderperiode gestartet. Die Idee stammt aus der 1973 in den Niederlanden gegründeten „Monumentenwacht“, die Eigentümern historischer Häuser half. Bekanntestes Projekt in Deutschland ist der „Monumentendienst Weser-Ems“, der aber nur Denkmale betreut. Der „Baukulturdienst Weser-Leine-harz“ richtet sich an alle Eigentümer und Kaufinteressenten von Häusern mit
dem Baujahr vor 1945. Die Beratung kostet, wenn sie im Fördergebiet stattfindet, entweder 175 Euro (mündlicher Bericht) oder 350 Euro (schriftlicher Bericht), inklusive „Klimamodul“ 550 Euro.

Akribische Schadenssuche: Um die erweiterte Küche des Holzhauses kümmern sich die Baukulturdienst- Experten (v. li.) Ylva Cohrs-Müller, Klaus Stuckert und Wolf Bredow
(stehend). Foto: Conrad von Meding
Baukulturdienst beim HAZ-Klimatalk am 21. August
Beim nächsten HAZ-Klimatalk am 21. August geht es um klimaverträgliche Modernisierung von denkmalgeschützten Häusern. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung allerdings
nötig. auf dem Podium spricht unter anderem Bauingenieur Volker Wehmeyer vom Baukulturdienst, außerdem sind Dr. Manfred Kohler von der Denkmalschutzbehörde der Region dabei und Architektin Stefanie von Heeren, die ein Denkmal umbaut. Die Veranstaltung beginnt um 18 Uhr in der VHS (Burgstraße). Anmeldung ausschließlich über die Internetseite der Klimaschutzregion Hannover, Suchworte sind HAZ-Klimatalk und Denkmalschutz.